Elbvertiefung: Der tägliche Newsletter aus Hamburg: Ein Mann starb in einer Notunterkunft. Wie konnte das geschehen?

Die Elbvertiefung am Mittwoch – mit dem neuen Mietenspiegel, Harry Potter, zerstochenen Reifen und vielen Wärmepumpen

Elbvertiefung: Der tägliche Newsletter aus Hamburg: Ein Mann starb in einer Notunterkunft. Wie konnte das geschehen?

© picture alliance/​dpa | Christian Charisius

Liebe Leserin, lieber Leser,

wir beginnen heute mit einer traurigen Nachricht: Am Montag ist in einer Obdachlosenunterkunft in Billbrook ein Mann gestorben. Offenbar war ein Streit unter mehreren Bewohnern eskaliert, der 55-Jährige wurde am frühen Morgen mit Messerstichwunden gefunden und starb noch vor Ort. Ein 32-jähriger Tatverdächtiger wurde kurz darauf festgenommen, er soll laut Polizei das Messer gezogen haben. Die genauen Hintergründe sind noch unklar.

Mein Kollege Tom Kroll ist gestern in die Obdachlosenunterkunft gefahren, um sich ein Bild zu machen. Die Unterkunft liegt in einem Gewerbegebiet unweit der A 1. Es ist ein weißer Gebäudekomplex mit gardinenverhangenen Fenstern, davor ein schmaler Rasenstreifen. Einst war die Anlage ein Hotel.

Tom traf dort auf Wojciech, einen Obdachlosen, der aus Polen stammt und zum Zeitpunkt des Verbrechens im Haus war. Er erzählte von einem Streit bei den Fahrstühlen im dritten Stock, die Tat selbst habe er aber nicht beobachtet. Er habe Angst um seine Sicherheit, sagte Wojciech. Andere Bewohner, denen Tom begegnete, glauben, bei dem Streit sei es um Geld gegangen. Einig waren sich alle: Eine Gewalttat wie diese hatten sie in einer Hamburger Unterkunft noch nie erlebt.

Das Haus in Billbrook ist Teil des Winternotprogramms, mit dem die Stadt von Anfang November bis Ende März zusätzliche Schlafplätze bereitstellt. Spricht man mit Menschen, die diese Plätze nutzen, hört man Unterschiedliches: Viele sind dankbar für einen warmen Ort, andere berichten davon, dass es in den Mehrbettzimmern nachts zu Diebstählen oder zu Streitigkeiten kommt. Einige Obdachlose meiden die Unterkünfte deshalb ganz und schlafen lieber draußen, obwohl das gerade in kalten Winternächten ein erhebliches Risiko birgt.

Die Tat vom 8. Dezember sei eine «schwerwiegende Ausnahme», erklärt der städtische Unterkunftsbetreiber Fördern & Wohnen auf Nachfrage. In der vergangenen Wintersaison habe es im gesamten Winternotprogramm nur eine Handvoll derartiger Vorkommnisse gegeben – meist Streitereien, nur in einem Fall körperliche Gewalt. Gleichwohl seien die Sicherheitsvorkehrungen in den Notunterkünften nun verschärft worden: An den Eingängen werden alle Bewohner mit Metalldetektoren untersucht – Waffen, Alkohol und Drogen waren schon vorher verboten, bislang hatten Sicherheitskräfte aber nur Taschen kontrolliert und Personen abgetastet.

Wenn ein Mensch auf diese Weise stirbt, macht das betroffen und wirft Fragen auf. Jetzt gilt es, die Tat aufzuklären – mit dem Respekt vor den Menschen, die ohnehin jeden Tag um Stabilität ringen müssen. Denn die meisten Obdachlosen suchen keinen Streit, sie möchten einfach einen ruhigen Schlafplatz, ein wenig Sicherheit, einen Moment der Erholung. Daher sollte es jetzt nicht darum gehen, eine ohnehin verletzliche Gruppe zu stigmatisieren. Entscheidend ist, zu klären, was Menschen brauchen, um in allen Nächten geschützt zu sein.

Ich wünsche Ihnen einen guten Tag!

Ihre Annika Lasarzik

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WAS HEUTE WICHTIG IST

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© Wesley Tingey/​unsplash.com

Der Prozessbeginn gegen den mutmaßlichen Pädokriminellen «White Tiger» steht fest: Ab dem 9. Januar muss der 21-jährige Angeklagte sich vor der Jugendkammer des Landgerichts Hamburg wegen 204 Straftaten verantworten, die er zwischen Januar 2021 und September 2023 an über 30 Kindern und Jugendlichen begangen haben soll (Z+). Für die Verhandlung sind 82 Termine bis Dezember 2026 angesetzt.

Die Nettokaltmiete in Hamburg beträgt im Mittel 9,94 Euro pro Quadratmeter, das zeigt der Mietenspiegel 2025, der gestern von Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein (SPD) vorgestellt wurde. Bei der letzten Erhebung 2023 waren es 1,12 Prozent weniger. Allerdings gab es seither eine Änderung in der Berechnungssystematik, was den geringen Anstieg mit erklärt.

In Hamburg wurden von September bis November 509 neue Wärmepumpen installiert – mehr als doppelt so viele wie im Vorjahreszeitraum. Insgesamt sind rund 7.800 Anlagen gemeldet, wobei die tatsächliche Zahl höher liegen dürfte, da eine Meldepflicht erst seit 2024 besteht. Die Grünen werten den Anstieg sowie die bewilligten Fördergelder als Erfolg der Wärmewende. Warum das allein nicht reichen wird, um Klimaneutralität im Bereich Wohnen zu erlangen, können Sie im Kommentar von Frank Drieschner aus unserer letzten Ausgabe lesen (Z+).

In aller Kürze

Das Theaterstück «Harry Potter und das verwunschene Kind» wird Hamburg nach viereinhalb Jahren und 1,5 Millionen Besuchern im Sommer verlassen. Die Produzenten kündigten für Herbst 2026 eine neue Show am Theater am Großmarkt an An Silvester gilt erneut ein Feuerwerksverbot rund um die Binnenalster und den Rathausmarkt, das vom 31. Dezember, 18 Uhr, bis Neujahr, 1 Uhr, in Kraft ist. Das Abbrennen und Mitführen von Feuerwerkskörpern ist in dieser Zeit untersagt, Ausnahmen sind Kleinstfeuerwerke wie Knallerbsen und Wunderkerzen Die Polizei ist gestern zu einem Großeinsatz in die Kieler Straße ausgerückt, sie suchte dort einen mutmaßlichen Messerstecher. Den Hinweis an die Polizei gab der verletzte Mann, er ist nun in einem Krankenhaus

AUS DER HAMBURG-AUSGABE

Elbvertiefung: Der tägliche Newsletter aus Hamburg: Ein Mann starb in einer Notunterkunft. Wie konnte das geschehen?

© Maria Rohweder/​DIE ZEIT

Campingbusse sind die Pest …

… denkt offenbar jemand, der in Altona Reifen zersticht. Über einen Straßenkonflikt, der gerade eskaliert, schrieb ZEIT-Autor Tom Kroll in der aktuellen Printausgabe der ZEIT:Hamburg. Lesen Sie hier einen Auszug aus seinem Artikel:

Mal steht Emma in der Holstentwiete. Mal steht sie in der Erdmannstraße gleich nebenan. Emma ist beige, knapp sechs Meter lang und etwas mehr als zwei Meter breit. Der Koloss auf Fiat-Basis, gebaut vom Campingwagen-Hersteller Hymer, ist ein Wohnmobil älteren Baujahres. Über der Frontscheibe steht die Aufschrift «Emma». Und Emma, so ist aktuell zu befürchten, könnte in Gefahr sein. Zumindest hier in den engen Straßen von Ottensen im Bezirk Altona.

Eine Frau schreibt da auf einer Nachbarschaftsplattform: «Ich habe inzwischen den Eindruck, dass hier ein Camper-Hasser durchs Viertel streift.» In einem Beitrag mit mittlerweile 54 Kommentaren geht es um Reifen, die zerstochen worden sein sollen, vor allem in Altona, von mindestens neun Fällen ist dort die Rede. Das ausschließliche Ziel? Die Wohnmobile und die Camper der Anwohnerinnen und Anwohner.

Jedes Jahr im Herbst kehren sie heim: Tausende Campermobile, die im Sommer über die Straßen Europas zuckeln (Z+) und dann in den engen Wohnstraßen der Innenstadt überwintern. Sie blockieren also Parkplätze, sorgen für Stress. In Ottensen, so scheint es, ist er jetzt eskaliert.

Seit Juli, so berichten die Nachbarn, komme es immer wieder zu solchen Vorfällen. Die Polizei bestätigt auf Anfrage einige der beschriebenen Sachbeschädigungen, allein fünf Fälle zerstochener Reifen gab es seit Sommer in der Gaußstraße. Die Beamten meinen aber, es handele sich um Einzelfälle, wie ein Sprecher am Telefon berichtet. Ob das stimmt? Denn zur Wahrheit gehört wohl auch: Wer es ist, der nachts die Reifen aufsticht, ist schwer zu ermitteln. Wegen ein paar kaputter Reifen wird wohl kaum eine Soko WoMo gebildet.

Die Nachbarn hingegen haben eine klare Meinung: Im Viertel lebe ein Wohnmobil-Hasser (oder eine -Hasserin), eine Person, die vor allem nachts komme. Gewiss ist: Die Gefährte sind Reizobjekte, ähnlich wie SUVs, nur noch größer. Wo also hin mit den Dingern?

Wie die Stadt das Problem angehen könnte, lesen Sie weiter in der ungekürzten Fassung des Artikels auf zeit.de.

DER SATZ

Elbvertiefung: Der tägliche Newsletter aus Hamburg: Ein Mann starb in einer Notunterkunft. Wie konnte das geschehen?

© Mike McQuade für ZEITmagazin

«Er war ein sehr problematischer Mensch. Er konnte schrecklich und eklig sein, aber auch sehr herzlich. Alle diese Seiten gehörten bei ihm dicht zusammen.»

Der Hamburger Michael Nesselhauf ist einer der erfolgreichsten Medienanwälte. Im Interview mit Hans Werner Kilz und Stephan Lebert erzählt er erstmals im Interview von seiner Rolle in der «Spiegel»-Affäre, seinem Bruch mit Rudolf Augstein, über den er hier im Zitat spricht – und was seine Frau mit dem Zerwürfnis zu tun hatte.

DARAUF KÖNNEN SIE SICH FREUEN

Am Mittwoch, den 17. 12., feiert das Abaton in Anwesenheit des Regisseurs Jason Starr aus New York die europäische Premiere von «Cosmic Portal – Exploring Mahler’s ›Symphony of Thousand‹». Der Film, erzählt von Alec Baldwin, versucht die musikalischen, philosophischen und biografischen Wurzeln von Mahlers 8. Symphonie, für die bei der Uraufführung 1.000 Musiker benötigt wurden, zu ergründen.

«Cosmic Portal – Exploring Mahler’s ›Symphony of Thousand‹», 17. 12., 19 Uhr; Tickets gibt es hier

MEINE STADT

Emporio

Emporio © Reiner Letscher

HAMBURGER SCHNACK

Die 15-jährige Frida soll noch ein paar Dinge aufräumen, ist aber verabredet. Sie bittet mich, den Rest zu erledigen. Ich: «Mensch, du machst mir jede Menge Arbeit!» Frida: «Du hast dich entschieden, Vater zu werden. Das gehört zu deinen Aufgaben. Und außerdem, andere Väter haben mehr Ärger mit ihren Töchtern. Ich hab dich lieb. Tschüss!» Ich: «Seufz!» 

Gehört von Björn Platz

Das war die Elbvertiefung, der tägliche Hamburg-Newsletter der ZEIT. Wenn Sie möchten, dass er täglich um 6 Uhr in Ihrem Postfach landet, können Sie ihn hier kostenlos abonnieren.

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